Wie genau hat sich der Kauapparat des Menschen im Laufe der Evolution zu seiner heutigen Form entwickelt? Welche Rolle hat dabei die Ernährung gespielt? Wie arbeiten Muskulatur, Kiefer und Zähne zusammen und verleihen den richtigen Biss? Diese und andere Fragen sollen im Rahmen einer neu aufgebauten Forschungsgruppe an der Universität Jena untersucht werden. Der Evolutionsbiologe Dr. Kornelius Kupczik wird in den kommenden fünf Jahren eine komplette Arbeitsgruppe zu diesem Thema aufbauen, die durch die Max-Planck-Gesellschaft mit insgesamt rund 2,5 Millionen Euro gefördert wird.
Der Zahnschmelz ist das härteste Material des menschlichen Körpers. Zähne und Teile des Kauapparates gehören zu den häufigsten fossilen Funden, die von frühen Menschen und ihren Vorfahren übriggeblieben sind. „Einige von ihnen sind fünf Millionen Jahre und älter“, sagt Dr. Kornelius Kupczik. An ihnen lasse sich ablesen, dass sich Zähne und Kiefer heutiger Menschen sehr stark etwa von denen der Neandertaler und anderer frühen Menschen unterscheiden.
„Hier in Jena werden wir uns vor allem mit Hunden als Modellsystem befassen. Mich interessiert die Frage, wie Form und Größe von Kiefer und die Beschaffenheit der Muskulatur die Kaukraft bestimmen“, so der Evolutionsbiologe. Dazu werden die Forscher unter anderem Röntgenvideoaufnahmen von kauenden Hunden analysieren, um die Bewegungsabläufe detailliert studieren zu können. „Aus diesen Daten lassen sich anschließend Computersimulationen und -modelle erstellen, an denen sich der Einfluss einzelner Parameter exakt bestimmen lässt.“ Das Uni-Institut für Spezielle Zoologie und Evolutionsbiologie, zu dem auch das Phyletische Museum gehört, verfügt über eine ausgewiesene Expertise auf dem Gebiet der Bewegungsforschung von Hunden.
Ein weiterer Vorteil der engen Zusammenarbeit mit dem Phyletischen Museum ist, dass die Forscher auf den großen Bestand von Hundeschädeln des Museums zugreifen können. Im Rahmen einer Doktorarbeit soll beispielsweise untersucht werden, wie sich Zahn- und Kieferformen auf die Funktionalität beim Kauen und Beißen auswirken. Dazu werden Ober- und Unterkiefer von über 100 lang- und kurzschnäuzigen Hunderassen genauestens unter die Lupe genommen. Hunde sind ein einzigartiges groß angelegtes Naturexperiment, da durch gezielte Zuchtauswahl und trotz geringer genetischer Unterschiede eine erstaunliche Vielfalt an Schnauzenformen entstanden ist. Damit stellen sie ein ideales Modellsystem zur Untersuchung evolutionärer Prozesse dar. „Am Beispiel des Hundegebisses sehen wir die Zusammenhänge von Morphologie und Funktionalität und können dann letztendlich auch Rückschlüsse auf die Evolution des menschlichen Kauapparates ziehen“, erwartet Dr. Kupczik.
via idw/Stabsstelle Kommunikation der Universität Jena/Pressestelle/Dr. Ute Schönfelder)