Die Charité beherbergte größere anthropologische Schädel- und Skelettsammlungen, die zum Teil in der Kolonialzeit zusammengetragen wurden. Daraus ergeben sich aktuelle und potenzielle Restitutionsforderungen. Für eine adäquate Reaktion auf solche Forderungen erweist sich allerdings der Kenntnisstand zur Herkunft der Sammlungsstücke wie auch zum weiteren kolonial- und wissenschaftshistorischen Kontext der Sammlungsentstehung als nicht ausreichend. Zudem fehlen in Deutschland allgemein anerkannte Kriterien für entsprechende Rückgabeverhandlungen.
Ziel des Projekts ist es – auch im Sinne einer Aufarbeitung der eigenen Geschichte –, ausgewählte Teile der Sammlungen exemplarisch unter zwei Aspekten ergebnisoffen zu beforschen: Erstens sollen verlässliche Informationen über die Herkunft und den Erwerbskontext der Sammlungsstücke zusammengetragen werden. Diese Provenienzforschung erfolgt interdisziplinär auf der Grundlage historischer und anthropologischer Methoden. Zweitens soll die zugehörige Sammlungs- und Sammlergeschichte in ihrem wissenschafts- und kolonialhistorischen Kontext erstmals eingehend aufgearbeitet werden. Die Charité-Sammlungen bieten sich dafür besonders an, da sich in Berlin im späten 19. Jahrhundert die deutsche Anthropologie als wissenschaftliches Fach konstituierte.
Das Projekt hat im Oktober 2010 seine Arbeit aufgenommen und wird für drei Jahre von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert. Das Projekt ist dem Centrum für Anatomie und dem Medizinhistorischen Museum der Charité zugeordnet.