Der CRYO-BREHM ist eine wissenschaftliche Sammlung, welche durch die Konservierung von Zellkulturen biologische Information über das Tierreich in lebender Form bewahrt.
Die Sammlung ist ein Archiv der öffentlichen Hand. Initiator ist die Fraunhofer-Gesellschaft für angewandte Forschung e.V. mit ihren beiden Instituten Einrichtung für Marine Biotechnologie und Zelltechnik (EMB) und Institut für biomedizinische Technik (IBMT), gemeinsam mit dem Tierpark Hagenbeck und dem Zoo Rostock. Diese beschlossen am 2. November 2007 den Aufbau der Biobank und hielten im Kooperationsvertrag fest:
"Die Partner sind sich darüber einig, dass der Erhalt des lebenden Individuums und der damit verbundenen Vielfalt des Lebens für uns und für nachfolgende Generationen oberste Priorität besitzt. Im Einklang hiermit steht der erklärte Wille der Partner eine Kryobank aufzubauen, in der lebend konservierte Stamm-/Progenitorzellen verschiedener Wild- und Zootiere mittel- und langfristig eingelagert werden. Diese Zellen enthalten in vitaler Form das vollständige Genom der jeweiligen Arten [und des Individuums] und bilden daher eine wichtige Zellquelle, die dem Erhalt der Artenvielfalt der Erde dienen kann. Des Weiteren soll die Sammlung der Forschung dienen. Daher sollen Forschungseinrichtungen, die zu diesem Zwecke Untersuchungen durchführen wollen, Zugang zu dieser Stammzellbank erhalten. "
Die Fraunhofer EMB in Lübeck koordiniert das CRYO-BREHM Projekt unter Leitung von Prof. Charli Kruse. Die EMB hat in den vergangenen Jahren Verfahren entwickelt, aus jedem Wirbeltier Zellen mit Stammzellcharakteristika zu isolieren und in stabile, vermehrungsfähige in vitro-Zellkulturen zu überführen.
Der Zoologe Alfred Brehm (1829-1884) veröffentlichte 1863 die wohlbekannte Enzyklopädie Brehms Tierleben in der er vielfältige Informationen über die Arten festhielt. Der CRYO-BREHM ist mit der Dokumentation biologischer Information in Form von lebenden Zellkulturen die Fortsetzung dieses Werks auf Basis modernster Technologien. Das Wort "cryo" (altgriechisch [kryos] "Eis, Kälte") deutet darauf hin, dass im CRYO-BREHM die Proben im tiefgefrorenen Zustand konserviert werden.
Moderne biologische Methoden ermöglichen es, die Grundbausteine der Gewebe und Organe, die Zellen, aus bestimmten Geweben zu isolieren und in Kulturgefäßen ("Petrischale") am Leben zu erhalten. Man spricht dann von "Zellkulturen". Eine Zellkultur besteht typischer Weise aus mehreren Hunderttausend bis zu mehreren Millionen Zellen. Zellen sind Informationsträger: Jede Tierart besitzt einzigartige Eigenschaften, die die evolutionäre Anpassung an ihre Lebensbedingungen widerspiegeln. Hierzu gehören z.B. Resistenzen gegenÜber Krankheitserregern, die Abwehr von Fraßfeinden durch hochwirksame Toxine und die Fähigkeit Trockenperioden in einem scheintoten Zustand zu überdauern. Jede Zelle ist Informationsträger dieser Merkmale. Sie enthält aber nicht nur die genetische Information, sondern auch einen funktionsfähigen Stoffwechsel. Daraus ergeben sich vielfältige wissenschaftliche Anwendungsmöglichkeiten.
Die in CRYO-BREHM gesammelten Zellen haben zwei fundamentale Eigenschaften, die das wissenschaftliche Anwendungsspektrum zusätzlich erweitern:
Sie sind in der Lage, sich in der Zellkultur Über einen sehr langen Zeitraum und vielfach zu vermehren, weswegen wenige Zellen ausreichen, aus denen durch Vermehrung große Mengen an Zellen produziert werden können. Sie können in viele verschiedene Zelltypen differenzieren.
Die Zellkulturen sind langfristig und nachhaltig nutzbar: Durch die Vermehrungsfähigkeit der Zellen lässt sich ihre Zahl exponentiell vervielfältigen. Mittels Lagerung in flüssigem Stickstoff bei Temperaturen unter minus 135°C können die zellulären Lebensprozesse angehalten werden. Dennoch sind die Zellen nicht tot (=Kryokonservierung). Die Aufbewahrung ist auf diese Weise mit hoher Wahrscheinlichkeit über viele Jahrhunderte möglich. So steht lebendes biologisches Material auch langfristig für Forschungszwecke zur Verfügung.
Die Nutzbarmachung der zellulären Informationen und Mechanismen kann für die Untersuchung grundlegender biologischer und medizinischer Fragestellungen von fundamentaler Bedeutung sein. CRYO-BREHM hält lebendes Zellmaterial bereit, um z.B. spezielle Grippeviren zu untersuchen, die Wirkung von Umweltgiften zu erforschen und zu verstehen, wie bestimmte Spezies komplexe Gewebe und Organe regenerieren können. Es ist davon auszugehen, dass die gefrorenen Zellen für zukünftige Generationen von Wissenschaftlern wichtige und bisher unbekannte Möglichkeiten eröffnen werden.
Die Zellen werden aus dem Gewebe von gerade verstorbenen Tieren oder dem Plazentagewebe bei einer Geburt isoliert. Es wird also auch kein Tier zum Zweck der Ablage seiner Zellen in CRYO-BREHM leiden oder gar sterben müssen. Insbesondere werden keine Embryonen verwendet.
CRYO-BREHM und die "Frozen Ark"
CRYO-BREHM ist Mitglied der Frozen Ark. Die Frozen Ark ist ein internationales Konsortium wildtierbiologischer Sammlungen. Das gemeinsame Ziel ist, vielfältige wissenschaftliche Proben von Wildtieren zu sichern, bevor diese aussterben.
Die Weitergabe von Tieren geschützter Arten bzw. von wissenschaftlichen Proben dieser Spezies wird durch die CITES-Bestimmungen geregelt. Diese werden bei der Arbeit des CRYO-BREHM stets eingehalten.
Gefördert wird das Projekt durch die Possehl-Stiftung, das Land Schleswig-Holstein und den Europäischen Fonds für Regionale Entwicklung (EFRE). Es gibt vielfältige Möglichkeiten, das CRYO-BREHM Projekt zu unterstützen.