In einem Kooperationsprojekt von Einrichtungen der Eberhard Karls Universität und des Stadtmuseums Tübingen wird anlässlich des 450. Todestages von Philipp Melanchthon am 19. April an die Tübinger Zeit des großen Humanisten und Reformators erinnert. Eine Ausstellung im Stadtmuseum Tübingen, eine grundlegende wissenschaftliche Publikation sowie eine Studium-Generale-Vorlesungsreihe an der Universität sollen das lange Zeit von Forschung und Öffentlichkeit missachtete Wirken Melanchthons an der Universität Tübingen beleuchten.
Der bedeutende Humanist und Reformator Philipp Melanchthon (1497–1560) war ab 1512 Mitglied der Universität Tübingen, studierte dort zunächst und begann bald darauf als 17-Jähriger auch zu lehren. Bevor er 1518 einer Berufung an die Universität Wittenberg folgte, legte er bereits in seiner Heimat den Grundstein eines bildungsreformerischen Programms. Seine Forderungen, sich die ethischen Ideale der großen klassischen Denker anzueignen, dadurch die kulturelle Wüste des Mittelalters zu überwinden und mittels Bildung ein Gott und den Menschen gefälliges Leben zu führen, brachten Melanchthon in der Folge den Ruf als „Praeceptor Germaniae“ („Lehrer Deutschlands“) ein.
Erstaunlicherweise ist Melanchthons Frühwerk und die prägende Rolle seiner Studienstadt Tübingen bisher kaum wissenschaftlich erarbeitet worden, geschweige denn ins öffentliche Bewusstsein gedrungen. Diese Lücke versuchen nun das Museum der Universität MUT, die Evangelisch-Theologische Fakultät und das Institut für Geschichtliche Landeskunde in enger Kooperation mit dem Stadtmuseum Tübingen zu schließen. Anlässlich des 450. Todestages Melanchthons zeigt die Ausstellung „Philipp Melanchthon in Tübingen“ im Stadtmuseum ab dem 24. April das Bild der Universität Tübingen zu Anfang des 16. Jahrhunderts, eingebunden in die Stadt Tübingen und in das Herzogtum Württemberg. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, wie Melanchthon von seinem intellektuellen und politischen Umfeld beeinflusst wurde und wie vielfältig er bereits zu diesem frühen Zeitpunkt wirkte. Dabei war der Humanist noch nicht der spätere Reformator oder Theologe, sondern vor allem Philologe, der unter anderem eine griechische Grammatik erstellte. Doch nicht nur Handschriften und frühe Drucke, auch Porträts, Skulpturen, Graphiken und Universitätsinsignien sind in der Ausstellung zu sehen.
Die Besucherinnen und Besucher sollen neben dem Wissen über Melanchthons Frühwerk als Autor, Dozent und Druckerei-Mitarbeiter auch einen Einblick in den deutschen Humanismus sowie Stadt und Universität Tübingen im 16. Jahrhundert als dessen Keimzelle erhalten. Dieser Maßgabe entsprechend wirft die Ausstellung in mehreren Abteilungen ihren Fokus jeweils auf das Leben Melanchthons, das Land Württemberg und die Stadt Tübingen im 16. Jahrhundert, auf Melanchthons soziales Netzwerk von bedeutenden Humanisten, sein Frühwerk und die Erinnerungspolitik in Tübingen.
Zur inhaltlichen Vertiefung und als bleibende wissenschaftliche Grundlage erscheint zur Ausstellung ein Begleitband, der erstmals Melanchthons Tübinger Zeit und Wirken näher beleuchtet. Autoren sind unter anderen die renommierten Frühneuzeit- und Kirchenhistoriker Ulrich Köpf, Sönke Lorenz, Günther Frank und Karin Reich.
Eine montägliche Vorlesungsreihe im Rahmen des Studium-Generale-Programms an der Eberhard Karls Universität Tübingen im Sommersemester 2010 rundet das Thema ab, so dass mit drei komplementären Ansätzen die Bedeutung des Humanisten und der Universität Tübingen in seiner Zeit erhellt wird.